Vertreibung und Diaspora.
Auf den Spuren der Natchez
- This Land was Theirs -
Je häufiger und je länger man sich mit den Natchez beschäftigt, um so deutlicher wird der Kontrast zwischen den in der Literatur immer wieder auftauchenden Hinweisen auf das angebliche Ende der Natchez und der Tatsache, dass sich auch heute noch Menschen auf ihre Natchez-Herkunft berufen. Die "Vertreibung und Diaspora im nordamerikanischen Südosten" geht diesem Zwiespalt nach und versucht Wege aufzuzeichnen, auf denen Spuren der Natchez bis heute entdeckt werden können. Zunächst suchten die meisten Überlebenden des letzten Natchez Aufstandes von 1731, die nicht als Sklaven verschleppt wurden, im Nordosten des heutigen US-Staates Mississippi bei den Chickasaw Zuflucht. Mit Teilen der Chickasaw zogen sie später weiter nach Osten zu den in den südlichen Appalachen und den angrenzenden Gebieten lebenden Cherokee. In dieser Region schien eine größere Sicherheit vor Übergriffen durch das französische Militär gegeben als weiter im Westen. In dieser Gegend kamen einige Natchez Familien mit den in Alabama und Georgia siedelnden Creek in Kontakt. In den 30er Jahren des 19. Jahrhundert erlitten die zu den Nachbargruppen geflohenen Natchez das gleiche Schicksal wie die Cherokee und Creek, bei denen sie Aufnahme gefunden hatten. Gemeinsam mit diesen wurden sie von den europäisch stämmigen Siedlern mit Unterstützung der US-amerikanischen Regierung und dem Militär in das heutige Oklahoma westlich des Mississippi vertrieben. Auf der als "Pfad der Tränen" - "Trail of Tears" beschriebenen Zwangsdeportation erlitten sie unbeschreibliches Leid und Tod durch Krankheit, Hunger und ungünstigen Witterungsbedingungen. Dennoch gelang es ihnen bis in die Gegenwart, zahlreiche Traditionen zu bewahren. Heute arbeiten sie daran, ihre Sprache wieder zu beleben und neu zu lernen.
Eine Odyssee im nordamerikanischen Südosten
Auszüge aus "Vertreibung und Diaspora im nordamerikanischen Südosten. Auf den Spuren der Natchez". Neuauflage 2023.
Der Südostens Nordamerikas vor der Vertreibung der Indigenen. Karte: copyright: Angelika Fröch, Arbeitskreis Indianer
Die Spannungen zwischen Einheimischen und Franzosen nahmen zu, als unter Ludwig XIV. ein Privatinvestor dafür sorgen sollte, dass die bislang unrentable Kolonie Gewinn abwarf. Im Zuge dieser Bestrebungen wurde im Gebiet der Natchez ein Handelsposten und 1716 nach dem sog. Ersten Natchez-Krieg zur Befestigung dieses Postens ein Fort, das Fort Rosalie, errichtet. . . .
Die Verwaltung der Kolonie Louisiana durch die Indienkompagnie und die vermehrte Ansiedlung von Kolonisten aus dem Mutterland sollten dazu dienen, die Kontrolle über die Kolonie zu verstärken. . . . .
Eine der Aufgaben der Indienkompagnie war es, Landrechte an Privatpersonen zu vergeben. Ein großer Teil der Neuankömmlinge siedelte sich auf dem Land der Natchez an, um dort Anbau zu betreiben. . . . .
1729 kam es zu einem letzten Aufbegehren der Natchez gegen die Kolonialmacht, dessen Auslöser eskalierende Streitigkeiten um Land waren. . . . .
Der Aufstand wurde von den Franzosen blutig niedergeschlagen. Hunderte Natchez, Männer, Frauen und Kinder, wurden als Sklaven nach Santo Domingo verschleppt, einige blieben in der Nähe ihrer Heimat und führten dort eine Art Guerilla-Krieg und die meisten suchten Zuflucht bei ihren Verbündeten, den Chickasaw. . . . .
Bei den Chickasaw trafen die Natchez auf eine in sich gespaltene Gesellschaft. Die Region, in der die Chickasaw an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert lebten, war sowohl für die Engländer als auch die Franzosen von Bedeutung. Frankreich benötigte diese Region im nördlichen Teil des heutigen Bundesstaates Mississippi, um eine Verbindung zwischen französisch Louisiana und Kanada herzustellen, und England wollte im Zuge seines Vordringens von Ost nach West genau diese Verbindung verhindern (Johnson et al., 2008: 5). Diese exponierte Lage führte dazu, dass die zwei Hälften, in die die Chickasaw-Gesellschaft gegliedert war, die rote und die weiße Hälfte oder die Hälfte der "Großen Prärie" und die der "Kleinen Prärie", eine Bezeichnung, die die Franzosen erfunden hatten, sich der jeweils anderen Kolonialmacht zuwandten. Die weiße Hälfte, die den Franzosen zuneigte, widersetzte sich der Aufnahme der Natchez, während die rote Hälfte, die mit den Engländern sympathisierte, die Flüchtlinge in ihren Reihen akzeptierte (Johnson et al. 2008: 8). Archäologische Belege bestätigen, dass die geflohenen Natchez vor allem in den pro-englischen Dörfern Aufnahme fanden (Johnson in McEwan, 2000: 98). Die weiße Hälfte ging in ihrem Wiederstand gegen die Neu-Ankömmlinge sogar so weit, Verhandlungen mit den Franzosen über eine Auslieferung der Natchez zu führen (Johnson et al., 2008: 8). Der Friedenshäuptling, der in einem Dorf der weißen Hälfte lebte, drohte damit, sich den Verbündeten der Franzosen, den Choctaw zuzuwenden (Johnson in McEwan, 2000: 104). Allerdings war auch die rote Hälfte sich ihrer Sache nicht uneingeschränkt sicher, obwohl sie sich einer Übergabe der Natchez an die Franzosen erfolgreich widersetzte (Johnson et al., 2008: 8, 23). Dies dürfte ihr dadurch erleichtert worden sein, dass sie von den Engländern mit großen Mengen an Waffen und Munition versorgt wurde (Johnson et al., 23). Die Natchez-Frage blieb ungelöst und war weiterhin ein Grund andauernder Streitigkeiten zwischen Chickasaw und Franzosen. An der Weigerung, die Natchez auszuliefern, scheiterte das Zustandekommen eines Bündnisses zwischen Chickasaw und Franzosen mit der Folge militärischer Angriffe der französischen Kolonialtruppen auf Chickasaw-Dörfer (Johnson in McEwan, 2000: 97). Als ein Teil der Chickasaw weiter nach Osten bis nach South Carolina und Georgia zog, um sich am Savannah-River und damit näher bei ihren englischen Verbündeten niederzulassen, begleitete sie eine Gruppe von Natchez. . . . .
In ihrer neuen Heimat kamen die Natchez mit den benachbarten Cherokee, einem weiteren Verbündeten der Engländer, in Kontakt. Das Fehlen der uneingeschränkten Unterstützung aller Chickasaw-Gruppen dürfte sich günstig auf die Annäherung an die Cherokee ausgewirkt haben. Die Cherokee siedelten in fünf geografischen Bezirken, die aus mehreren Dörfern bestanden (Schroedl in McEwan, 2000: 204 f.). . . . .
This view into the book may help the English Readers for a better understanding of a German publication. In future the full text of this publication will be translated. Please excuse the many mistakes in this non-professional translation.
Bibliografische Angaben zu "Vertreibung und Diaspora im nordamerikanischen Südosten. Auf den Spuren der Natchez"
Karl-Hermann Hörner:
Vertreibung und Diaspora im nordamerikanischen Südosten. Auf den Spuren der Natchez.
Neuauflage. München 2023.
Erschienen im GRIN-Verlag, München.
Das Buch ist sowohl als e-Book als auch als Print-Book lieferbar.
Preis:
E-Book: 29.99 €.
Print-Book: 42.95 €.
Umfang:
166 Seiten.
ISBN (Buch):
9783346573971.
ISBN (e-book):
9783346573964.
Zu dem vorgestellten Band über die Vertreibung der Natchez ist eine Übersetzerin oder ein Übersetzer in das amerikanische Englisch als Co-Autor oder -Autorin herzlich willkommen. Kenntnisse der Geschichte und Sozial-Anthropologie der Häuptlings-Gesellschaften des nordamerikanischen Nordostens wären von Vorteil. Studierende der Amerikanistik oder Ethnologie sollten sich besonders angesprochen fühlen. Eine Kontaktaufnahme über
karl-hermann.hoerner@hotmail.com wird kurzfristig beantwortet.
An American-English native speaker is very welcome as translator for "Vertreibung und Diaspora im nordamerikanischen Südosten". She/he should be well informed about the history and social-anthropology of the chieftainships of the North-American Southeast. Specially persons who are just engaged in an academic training of anthropology are addressed by this invitation. Please contact karl-hermann.hoerner@hotmail.com .
Die Natchez in Saint Domingue/Haiti
Im Gegensatz zu den Natchez, die nach der Niederschlagung ihres letzten Aufstandes durch die französische Kolonialmacht bei ihren Nachbargruppen Zuflucht fanden, ist über jene Gruppe. die nach Saint Domingue verschleppt wurde, recht wenig bekannt. Von den Natchez bei den Chickasaw kennt man deren Dörfer in der Large Prairie, von denen, die zu den Cherokee zogen, sind die Ansiedlungen in den Overhill Towns bekannt, und von denen, die mit den Creek/Muskogee zusammenlebten, weiß man, dass sie sich bei den Abihka Creek niederließen. Die geringe Beachtung, die den Natchez von Saint Domingue geschenkt wurde, hängt möglicherweise damit zusammen, dass die Untersuchungen über die Atlantische Welt lange Zeit den Sklavenhandel im Rahmen des Dreiecks zwischen Amerika als Rohstofflieferant, Afrika als den Kontinent, der die Arbeitssklaven stellte, und Europa als Hersteller der Fertigprodukte im Fokus hatten. Neben dem riesigen Heer afrikanischer Sklaven wurden jedoch auch Indigene aus Nordamerika zu Sklavenarbeit in der Karibik gezwungen.
Barnett (2007: 134) vermutet, dass von den ursprünglich 291 deportierten Natchez etwa 160 lebend Saint Domingue erreichten und möglicherweise einen dritten Zweig der Natchez neben denen in Oklahoma und South Carolina, den karibischen, begründeten. Unter den Deportierten, die schließlich im Hafen von Cape Francois, der damaligen Hauptstadt Saint Domingues, ankamen, befand sich auch die Familie der Großen Sonne mit dessen potentiellem Nachfolger Saint-Cosme (Barnett, 2007: 126 f.). Über deren weiteres Schicksal kann beim derzeitigen Wissensstand kaum mehr als spekuliert werden.
Exakten Aussagen stehen Hindernisse im Weg, die heute nicht mehr zu beseitigen sind. So beklagt sich der zeitgenössische Historiker Moreau de Saint Méry darüber, dass die Indigenen aus Nordamerika, denen er in der Karibik begegnete, so gut wie nicht voneinander zu unterscheiden seien (Smyth, 2016: 66). Außerdem scheinen die Behörden in der Zeit nach 1730 kein Interesse mehr an einer solchen Unterscheidung der Identitäten der indigenen Gruppen gehabt zu haben (Smyth, 2016: 67). Allerdings wusste die europäisch stämmige Bevölkerung sehr wohl zu differenzieren. Jene reaktionären Kräfte Frankreichs, die für eine Konterrevolution in Haiti plädierten und dafür Indigene verpflichten wollten, verstanden durchaus Chickasaw, Cherokee, Creek und andere als eigenständige Gruppen anzusprechen (Jansen, 2022: 72). Nur der Name der Natchez taucht nirgendwo in den bisher bekannten schriftlichen Zeugnissen als eigene Gruppenbezeichnung auf. Auch in Zeitungsanzeigen, in denen nach entlaufenen Sklaven gesucht wurde, ist immer nur pauschal von "Indianern" (Indians) die Rede, aber nicht von einer bestimmten ethnischen Gruppe (Smyth, 2016: 75 f.). Die Natchez selbst waren sich ihrer Gruppenidentität zu jener Zeit noch sehr wohl bewusst, hatten sie doch gegenüber dem französischen Kommandeur Bienville den Wunsch geäußert, wieder in ihr Heimatland zurückkehren zu dürfen (Smyth, 2016: 72). Offen allerdings muss bleiben, wie sehr dieses Bewusstsein von den späteren Ereignissen der haitianischen Revolution und der Sklavenbefreiung, die zweifelsohne auch bei den Indigenen aus Nordamerika ihre Spuren hinterlassen haben musste, überlagert wurde.
Die Sklaven in Saint Domingue wurden sowohl auf den Baumwoll-, Zuckerrohr- und Kaffeeplantagen als auch im häuslichen Bereich und dessen städtischem Umfeld eingesetzt. Legt man die ablehnende Haltung der Siedler Louisianas, Indigene Nordamerikas auf Plantagen einzusetzen, zugrunde, dann ist zu vermuten, dass die Natchez eher als Hausbedienstete oder für Tätigkeiten im Kleingewerbe Verwendung fanden und weniger auf den Plantagen. Die Arbeit auf den Plantagen war weitaus härter und auch gefährlicher als die im Haushalt und in der Stadt. Die Sklaven auf den Plantagen waren in sehr viel größerem Maße Unterernährung, Krankheiten und dem Verletzungsrisiko ausgesetzt als die in der Stadt Zwangsarbeit leistenden Teile der Bevölkerung. Die Sterblichkeitsrate auf den Plantagen war daher deutlich höher als in den Städten. Unter drakonischen Strafen bis hin zu Folterungen durch die Sklavenbesitzer, die auf den Plantagen nahezu zum täglichen Leben gehörten, mussten die im städtischen Bereich Arbeitenden weniger stark leiden. Den Natchez kam dieser Umstand zugute und man darf daher ihre Chancen, die Zwangsarbeit zu überleben, als relativ günstig einschätzen. Es kann deshalb angenommen werden, dass Natchez oder von ihnen abstammende Personen die Sklavenbefreiung während der Revolution von Haiti erlebten und miterlebten.
Dadurch wird die weitere Verfolgung ihrer Spuren aber noch schwieriger. Ihre Spuren konnten sich ab jetzt in völlig unterschiedliche Richtungen verlieren. Wie viele blieben in Haiti? Wo gingen diejenigen hin, die nicht dort bleiben wollten? Die Sklavenbefreiung in Haiti führte zu einer Art Gegenbewegung vieler in die Karibik verschleppter nordamerikanischer Indigenen nach New Orleans und Louisiana. Waren auch Natchez stämmige Rückkehrer dabei? Antworten auf diese und ähnliche Fragen können helfen einzuschätzen, ob und inwieweit die Nachkommen der Natchez von Saint Domingue sich in ein Netzwerk einer Diaspora-Gesellschaft eingegliedert haben.
Literatur: Barnett, James F.: The Natchez Indians. Jackson 2007. Jansen, Jan: American Indians for Saint Domingue? In: French Historical Studies 45/1, 2022. Smyth, Edward N.: The Natchez Diaspora: A History of Indigenous Displacement and Survival in the Atlantic World. Santa Cruz 2016.
Die Vertreibung der Natchez
Dieser Beitrag erschien ursprünglich auf https://www.arbeitskreis-indianer.at
Eine Zusammenfassung der Vertreibung der Indigenen aus dem Südosten der heutigen USA findet man auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung unter: www.bpb.de/themen/
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